Hallo Andi,
die ganze Geschichte kann ich hier nicht erzählen, aber ein paar Schlaglichter sind vielleicht interessant auch für Mitleser, die überlegen, ob sie sich eine Flosse zulegen wollen.
Es ist die typische Geschichte, bei der die Begeisterung rationale Bedenken beiseite wischt, so dass man später für übersehene Mängel bezahlen muss. Gekauft habe ich den Wagen für knapp 10.000 Euro und innerhalb der letzten zwei Jahre bei 3200 gefahrenen Kilometern noch mal 8.000 investiert. Viel Geld, aber jeder muss selber für sich sehen, ob das ok ist. Für mich ist es trotzdem die richtige Entscheidung gewesen, auch wenn man vielleicht sagen kann, ein besseres Auto wäre der bessere Kauf gewesen. Aber ein besseres Auto muss man erstmal finden (im Januar 2021 waren in Deutschland nur 341 kleine Benziner - Flossen zugelassen) und dann noch die Zeit für eine Besichtigung haben. Und ein teureres Auto wäre auch nicht unbedingt besser gewesen, jedenfalls nicht für jemanden, der von der Kaufberatung von Micheal Rohde nicht alles versteht oder überprüfen kann. Es sei denn, man kauft in einem Mercedes-Classic-Center ein vollrestauriertes Auto. Aber 30.000 Euro für einen W110? Eher nicht.
Außerdem ist es auch eine Altersfrage. Wenn nicht jetzt, wann dann, sage ich mir, irgendwann ist es für so einen Wunsch zu spät.
Wenn ich den Wartungsstau meiner Flosse beim Kauf in vollem Umfang gesehen hätte, hätte ich vielleicht um Bedenkzeit gebeten und mir möglicherweise noch ein anderes Auto angesehen. So habe ich z.B. bei der Probefahrt darauf verzichtet, die Fußpumpe für die Scheibenwaschanlage zu betätigen. Hätte ich das getan, wäre herausgekommen, dass dem Wagen ein Behälter für das Wischwasser fehlt, dessen Fehlen ich auch bei der Inaugenscheinnahme des Motorraums nicht bemerkt habe. Faszination frisst Hirn!! Das Auto hatte beim Kauf mindestens 20 nicht HU-relevante Macken, die der TÜV noch nicht mal als „geringen Mangel“ eingestuft hatte, deren Behebung aber Geld kostet. Davon habe ich höchstens die Hälfte gesehen. Ist aber jetzt müßig (der Wagen, den man nicht gekauft hat, ist im Nachhinein immer der Bessere!), ich freue mich über dieses Auto und werde es in nächster Zeit nicht verkaufen, auch wenn ich diese Macken, die jemand mit mehr Ahnung sofort gesehen hätte, nach dem Kauf Stück für Stück entdeckt habe. Immer noch stolpere ich über die eine oder andere Merkwürdigkeit. Erst neulich habe ich die Erklärung dafür gefunden, warum sich die Zeituhr so schwer aus dem Armaturenbrett drücken ließ: der Rand der Aussparung, in die die Uhr gehört, war ein einer Stelle nach innen gebogen, vermutlich wollte jemand die Uhr auf diese Weise kostengünstig fixieren. Hat funktioniert, mir aber Schweißperlen auf die Stirn getrieben.
Den größten Ärger hatte ich, als nach einer Motorwäsche der Wagen nicht wieder ansprang: Abschleppen in die Werkstatt, wo angeblich alles behoben wurde, am nächsten Tag waren wieder mehrere Startversuche notwendig, durch die ich die Tiefgarage mit Abgasen zugenebelt hatte, sehr unangenehm. Reklamation in der Werkstatt, die dann zum zweiten Mal den Fehler nicht gefunden hat. Warum der Motor bei der Abholung sofort ansprang, weiß ich bis heute nicht, mich beschleicht der Verdacht, dass hier Starthilfespray eine Rolle gespielt hat. Eine andere Werkstatt hat den Fehler sofort gefunden und den hinteren Vergaser instand gesetzt. Da fragt man sich doch, warum das eine auf Mercedes-Oldtimer spezialisierte Werkstatt nicht gesehen hat. Dort ist auch jemand auf die abstruse Idee gekommen, Ölablagerungen am Motor durch die Entfernung des Öldunstschlauches zu verhindern. Dadurch können aber Öldünste in den Innenraum gelangen… nicht gut! Geholfen hat hier ein neuer Öldunstschlauch, der alte muss undicht gewesen sein, jedenfalls ist der Motor seitdem sauber.
Größter Posten bei den 8.000 Gesamtreparaturkosten war die Instandsetzung der Bremsen hinten: Radlager, Bremsbacken, Radbremszylinder.
Andere, kleinere Sachen waren billiger, aber in der Summe läppert es sich doch. Trotzdem: In anderen Forumsbeiträgen von Leuten, die deutlich mehr Ahnung haben, liest man auch Beruhigendes: Flossen sind extrem reparaturfreundlich, der Motor fast unkaputtbar. Und viele Ersatzteile sind bei den einschlägigen Onlinehändlern erhältlich. Das sind alles Gründe, warum ich niemals zu einem der anderen Klassiker greifen würde (VW Bullli oder Citroen DS), die zu dem viel zu teuer sind. Flossen in brauchbarem Zustand sind erstaunlich günstig und auch die 15.000, die du für deinen W111 haben willst, finde ich keineswegs zu teuer.
Alles in allem finde ich es gut, dass ich dieses Auto habe, auch wenn es kein seidig laufender 6-Zylinder ist wie deiner. Viel Erfolg beim Verkauf!
Beste Grüße
Flössling