Geschichte und Funktion der Luftfederung
Die ersten Luftfederungen tauchen bereits in den zwanziger Jahren
im LKW-Bau auf.
Die tschechische Firma Tatra rüstete damals einen dreiachsigen LKW
mit einer Federung aus, die sich des Zylinder-Kolben-Prinzips bediente,
im Aufbau also einer Fahradluftpumpe verblüffend ähnlich war.
Interessant
ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß Tatra sich bei seinen
LKW der Einzelradaufhängung mit Pendelachse bediente. Die Kombination
Pendelachse mit Luftfederung wird uns drei Jahrzehnte später im PKW
wieder begegnen - nicht ohne Grund, wie wir noch sehen werden.
Allerdings hatte man damals noch Schwierigkeiten mit der Abdichtung
der Anlage und so fand sie keine Verbreitung - obwohl die Ingenieure
sehr wohl um ihre Vorteile wussten.
Wie schon oft in der Technikgeschichte machte die Erfindung einen
Umweg über das Militär.
Im Zweiten Weltkrieg entwickelte eine amerikanische Firma Luftfederbeine
für schwere Bomber - die Kosten spielten keine Rolle und die Vorteile
gegenüber einem konventionellen Federbein, wie Gewichtsersparnis und
kompaktere Bauweise sowie die Anpassungsmöglichkeit an
verschiedene Lastzustände, überwogen die Nachteile bei weitem.
Nach dem Krieg landete die Luftfederung wieder im Automobil, diesmal
in einem Überlandomnibus von General Motors. In Amerika verlangte die
Kundschaft Fahrkomfort - in Europa war man zu dieser Zeit noch heilfroh,
wenn überhaupt eine Fahrgelegenheit zu finden war.
Der entscheidende Fortschritt lag bei diesem Bus in der Abkehr vom
Zylinder-Kolben-Prinzip.
Der im Zylinder laufende Tauchkolben, dessen Abdichtung immer Probleme
gemacht hatte, wurde durch einen simplen Gummibalg ersetzt, der durch
die Achsbewegung zusammengepreßt wurde und dadurch federte.
Hier mussten also keine beweglichen Teile mehr aufwendig gegeneinander
abgedichtet werden, außerdem wählte man die Größe des Balges so groß,
daß er mit geringen Drücken auskam. Diese Drücke konnte man jetzt
nämlich direkt dem Luftvorrat der Bremsanlage entnehmen, die im Bus
und LKW ja ohnehin vorhanden ist.
Man sparte also den kompletten Hochdruckteil, der bisher immer notwendig
gewesen war.
1956 erschien die Luftfederung in einem Pkw der Marke Cadillac, tauchte
dann gegen Aufpreis auch in billigeren GM Produkten auf, um
schlußendlich wieder in Europa zu erscheinen.
1959 erschien der Borgward P 100 als erster Europäer mit dieser Federung,
1961 der Mercedes-Benz 300 SE und 1963 das Nonplusultra der Luftfedergeschichte:
der "Große Mercedes", der 600.
Alle diese Fahrzeuge trugen eine Pendelachse unter ihrem Heck - genauso
wie drei Jahrzehnte zuvor der Tatra LKW. Mit dem Mercedes wurde 1981
die Luftfederung zu Grabe getragen - um in heutigen Luxusfahrzeugen fast
unbemerkt ihre Wiederauferstehung zu feiern.
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