Technik
Sehen wir uns einmal als Beispiel die Anlage des 300 SE von Mercedes-Benz
genau an.
Die grundsätzliche Funktion der Luftfederanlage dürfte jedem klar
sein, der schon einmal eine Fahrradpumpe in der Hand hatte. Halte ich
diese am Luftauslaß zu, so läßt sie sich nicht ganz zusammenschieben:
die Luft in ihr wird komprimiert, und je weiter ich sie zusammendrücken
will, desto mehr Widerstand setzt sie mir entgegen. Ich kann diesen
Effekt nutzen und die Luftpumpe (sprich das Federelement) wie
eine übliche Metallfeder verwenden, also ein Gewicht
elastisch darauf lagern.
Dies geht mit einer Stahlfeder fast ebensogut - aber eben nur fast.
Die Luftfederung hat einen
entscheidenden Vorteil: man kann das auf ihr ruhende Gewicht in weiten
Bereichen verändern, ohne daß sich dadurch der zur Verfügung stehende Federweg
verändert. Man muß nur durch Druckerhöhung ihre Ausgangshöhe wieder
herstellen.
Die Stahlfederung ist also der Luftfederung bei unterschiedlichen
Belastungen in ihrem Absorptionsvermögen deutlich unterlegen. Sie
kann konstruktiv entweder für ein leeres oder ein voll belastetes
Auto ausgelegt werden und stellt somit in ihrer Auslegung immer
eine Kompromißlösung dar.
Ein weiterer Vorteil der Luftfederung liegt in ihrem Federverhalten:
im Gegensatz zu üblichen Stahlfedern ist ihre Kennlinie progressiv;
die Stahlfeder ist meist linear. Das heißt: je höher die Luftfeder
bereits belastet ist, desto weniger läßt sie sich bei Belastungserhöhung
zusammenpressen - sie wird also mit zunehmender Last immer steifer. Dies
hat den Vorteil, daß sie für wenig Last sehr weich ausgelegt werden
kann - und das schlägt sich deutlich im Fahrkomfort eines Autos nieder.
Wenden wir uns jetzt von der Theorie ab und der Prinzipskizze
der Luftfederung zu. (Bild 1)
Der Luftpresser 19 fördert Druckluft in den Vorratsbehälter 32.
Über die Ventileinheit 21 (deren Funktion uns im Moment nicht
weiter interessiert) gelangt die Druckluft über
die Niveauregelventile 16 , 34 und 25 zu den Luftfedern.
Diese sind auf unserer Skizze in ihre beiden Funktionselemente aufgeteilt,
nämlich den Federbalg Nr 28 und die Luftkammer Nr 23.
Beide Teile zusammen ergeben ein Luftfederelement.
Um zu verhindern, daß unser luftgefedertes Auto absackt, müssen wir
unter allen Umständen vermeiden, daß im Stand Luft aus den Federelementen
abströmen kann - schließlich ist es diese Luft, die unser Auto
trägt!
Die Lösung dieses Problemes zeigt uns Bild 2.
Wir haben es hierbei mit der Prinzipskizze eines der drei Niveauregelventile
(Nr 16, 25, 34 aus Bild 1) zu tun. Diese dienen dazu, bei Belastung
des Autos Luft in die Federelemente einströmen zu lassen (Druckerhöhung)
bzw. bei Entlastung des Autos wieder Luft abzulassen. (Druckabfall).Um
dies regeln zu können, sind sie mechanisch mit den Achsen verbunden
und können so auf deren Bewegungen und damit auf Änderungen der Niveaulage
reagieren.
Sehen wir uns die Zeichnung an:
Am mit B bezeichneten Anschluß ist der Federbalg angeschlossen.
Wir sollten uns merken, daß die an B angeschlossene Luftfeder
unter einem Druck von etwa 5,5 bis 8 Bar steht. (Der Druck ist, wie
oben bereits erklärt, abhängig von der Belastung.)
E ist die Einlaßseite: hier kann also Luft aus dem Vorrat einströmen,
A ist dementsprechend die Auslaßseite, über die die Luft wieder ins Freie
entweichen kann.
Der Ventileinsatz "a" trennt den Druck im Balg von der Atmosphäre.
Wird er geöffnet, kann die Luft aus dem Balg abströmen und das Auto
sackt ab.
Die an E angeschlossene (vom Luftpresser herkommende) Fülleitung
steht unter 10 Bar, also unter höherem Druck als der Balg. Der Ventileinsatz
"e" trennt diese unterschiedlichen Drücke.
Er enthält ausserdem einen Rückschlageinsatz. Dieser verhindert
das Abströmen von Luft aus dem Balg für den Fall, daß
der Druck in der Fülleitung unter das Druckniveau im Balg sinkt.
Dies ist zum Beispiel beim Entwässern des Vorratsbehälters
der Fall. Aus dieser Beschreibung
geht eindeutig hervor, daß auch ein Auto ohne Vorratsdruck auf
seinem Niveau bleiben muss!
Die Funktion des Hauptregelventiles ist zuallererst fahrdynamischer
Natur.
Die amerikanischen Fahrzeuge und der Borgward P 100 (der erste luftgefederte
Europäer) haben auf dieses Bauteil verzichtet.
In Stuttgart dachte man die Angelegenheit dann typischerweise zu
Ende:
(O-Ton eines leitenden Mercedes-Ingenieurs 1960:
"Der Stand unserer eigenen Luftfederentwicklung ist noch
nicht befriedigend."
(Das war damals! Heute würde man beim Kunden probieren ...)
Eines der Probleme der bis dahin gebauten Luftfederungen war die
starke Wankneigung bei Wechselkurven.
Durchfuhr das Auto eine Kurve, wurde es aussen be- und innen entlastet.
Aussen ließ das Regelventil dann Luft einströmen um das
Niveau zu halten, auf der Kurveninnenseite wurde der Luftdruck verringert.
Folgte dann sofort eine Kurve in Gegenrichtung, so fuhr das Fahrzeug
diese nicht in gerader Querlage an, sondern zur falschen Seite hängend.
Die Konsequenzen für das Fahrverhalten dürften einleuchten:
in Wechselkurven lagen die Autos unsicherer als ein gleiches
Fahrzeug mit Stahlfederung.
Einziger Vorteil gegenüber dem Stahlgefederten war die immer
gleiche und belastungsunabhängige Niveaulage und der immer
gleiche Federweg.
Etwas wenig für die aufwendige Konstruktion.
Genau an diesem Punkt greift das Hauptregelventil ein:
Es sorgt zum einen dafür, dass an den zwei Ventilen der Vorderachse
immer der gleiche Druck auf der Einlaßseite anliegt, nämlich
10 Bar – unabhängig vom Vorratsdruck, der zwischen 12
und 18 Bar schwankt. (Abhängig vom herrschenden Luftdruck, der Höhe über
NN und der Lufttemperatur)
Das hintere Ventil ist mittig angebracht, deswegen bekommt es Volldruck - dem ist
Schräglage egal, da "links hoch und rechts tief"
im Durchschnitt schlicht "gerade" ergibt - das Prinzip kennen wir
vom dreibeinigen Hocker.
Also sind auch die Ansprechzeiten der vorderen Ventile immer gleich
– in einer bestimmten Zeit kann eine definierte Menge Luft
in die Bälge strömen. Das war bei den Vorgängeranlagen
nicht der Fall; hier war das Nachströmen abhängig vom
Differenzdruck zwischen Balg und Vorrat.
Zum zweiten ist dieser Fülldruck direkt auf das Fahrzeuggewicht
abgestimmt, beim W100 ist es beispielsweise um 3 Bar höher:
Ein in der Kurve an der Haftgrenze gefahrener W109 erreicht durch
die dynamische Radlastverlagerung bei Beladung ziemlich exakt diese
10 Bar Balgdruck auf der Kurvenaussenseite, während der 600er
es hierbei auf 13 Bar bringt...
( Der luftgefüllte Balg auf der Kurvenaussenseite wird zusammengepresst,
dadurch erhöht sich der Innendruck)
Zwar öffnet jetzt das Einlassventil – dies spielt aber
keine Rolle; da auf der Einlassleitung und der Balgleitung die Drücke
gleich sind, findet keine Änderung beim Balgfülldruck
statt, die Kurvenaussenseite des Autos stützt sich auf den
10 Bar ab und das Auto liegt wie ein konventionell gefedertes in
der Schräglage, ohne diese nachzuregeln.
Zweitens gibt es ein Druckhalteventil.
Bei Kurvenfahrt wird ja nicht nur das äussere Ventil in Richtung
"Einlassen" verstellt, sondern auch das innere Ventil
in Richtung "Auslassen".
Um dieses zu verhindern, hält das Druckhalteventil die Auslassseite
der Regelung immer unter 3 Bar Gegendruck.
Ausser beim 600, der arbeitet mit 4,5 Bar...
Öffnet in der Kurve das Auslassventil des inneren Balgs, so
strömt Luft erst dann ab, wenn mehr als 3 ( 4,5) Bar Differenzdruck
vorliegen.
Da dies praktisch nie der Fall ist (vorher fliegt das Auto ab,
weil deutlich zu schnell) findet auch keine Niveauregelung auf der Innenseite
statt.
Somit ist erreicht, dass in der Kurve keine Lageänderung des
Fahrzeugs (ausser der dynamischen) hervorgerufen wird, bei Geradeausfahrt
aber immer die gleiche Niveaulage vorliegt.
Das können stahlgefederte Autos eben nicht!
Gepfuschte und falsch eingestellte Luftfederungen können das
übrigens auch nicht – manchmal sind die sogar fahrdynamisch
schlechter als die Stahlfederung ...
Der Rest ist schnell erzählt:
Das Hauptregelventil kann (z.B. für Radwechsel) die Abblaseleitung
ganz sperren, damit bei angehobenem Fahrzeug keine Luft aus den
Bälgen entweicht.
Als Gimmick kann man (seit 1965) das Fahrzeug um 50 mm anheben.
Ziemlich überflüssiger Gag – aber da hat wohl wer
nach Frankreich (Citroen DS) geschielt ...
Aber eigentlich hat die Hydropneumatik doch nix verstanden - Niveaulage
per inkompressiblem Medium unter Verzicht auf Federweg ... doch ab jetzt
wird’s Glaubenskrieg!
Also:
Andere Erklärung:
Der 600 Lang kam irgendwie nicht aus der Tiefgarage ...
Funktionen
gibt’s übrigens auch als Flash!
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