Geschrieben von Kai am 08. Januar 2007 08:45:06:
Der eine oder andere wird Fred und Ralf sicher kennen:
Umweltzone bedroht Arbeitsplätze
Nicht nur Spediteure fürchten Fahrverbote in der Innenstadt
Von Christine Eichelmann
Bessere Luft verspricht sich der Berliner Senat von der Umweltzone, mit der von 2008 an Autos ungenügender Schadstoffklassen aus der Innenstadt verbannt werden. Wirtschaftliche Einbußen bis hin zur Existenzgefährdung befürchten dagegen Unternehmer und Angestellte zahlreicher Branchen; von Taxifahrern über Spediteure bis zu Händlern und Industriebetrieben, welche mit älteren Lkw dann nicht mehr angefahren werden können, reicht das Spektrum.
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Berlinweit 27 000 Autos mit Dieselmotor werden nach offizieller Schätzung nicht die kostenpflichtige Plakette zur Einfahrt in das etwa 88 Quadratkilometer große Gebiet innerhalb des S-Bahn-Ringes erhalten. Dazu kommen 30 000 Benziner ohne Katalysator, deren Schadstoffklasse nicht ausreicht, sowie 29 000 Diesel-Lkw. Wie viele der rund 150 Mitglieder im Verband Verkehr und Logistik Berlin und Brandenburg (VVL) betroffen sein werden, kann VVL-Geschäftsführer Gerhard Ostwald noch nicht beziffern. "Sicherlich gibt es aber Firmen, die ganz erhebliche Probleme bekommen", sagt der Volkswirt, der für den Verband die Verhandlungen mit der Verwaltung über Ausnahmeregelungen führt. Treffen werde es vor allem Möbelspediteure mit lokalem Einzugsgebiet. "Die haben oft ältere Fahrzeuge mit langer Lebensdauer, und ihre Fahrten führen meist in die Umweltzone", so Ostwald.
Beispiel Lutz Bohne: Seit Anfang der 90er-Jahre transportiert er Möbel und Umzugskisten, aber auch Gefahrgut. Bis zu sechs Mitarbeiter hängen am Wohl seiner Köpenicker Firma. Technisch gesehen wäre Bohnes Diesel-Lkw nachrüstbar. "Aber bezahlbar ist das nicht für uns", sorgt sich der Unternehmer.
Für Oldtimer-Taxis wird es eng
Verdrängen möchte auch Ralf Werner aus Reinickendorf den Gedanken an die berufliche Zukunft. Der "Taxifahrer in vierter Generation" chauffiert Berliner und Touristen in einem der ältesten in der Stadt verkehrenden Mercedes-Modelle. Urgroßvater und Großvater saßen noch auf der Pferdedroschke, bei ihm fühlen sich die Fahrgäste eher wie im mobilen Wohnzimmer. Am Armaturenbrett leuchtet die Kerze auf dem Silvestergesteck, es riecht nach Tannengrün. Im Heckflossen-Benz Baujahr 1964 saß schon Harald Juhnke, der die Kulisse für eine Gauner-Komödie nutzte. Filmarbeiten an seinem motorisierten Arbeitsplatz kennt auch Fred Jüling, dessen Gefährt gleicher Baureihe drei Jahre jünger ist als das des Berufskollegen Werner. Erst sechs Wochen liegt der Dreh mit den Mexikanern zurück, die potenziellen Berlin-Touristen in ihrer Heimat die deutsche Hauptstadt näher bringen wollen. Auch in Fernseh-Produktionen wie dem Dokumentarfilm "Ma vie: Edzard Reuter" kreuzt Jülings Mercedes-Veteran auf. Dreiviertel ihres Geschäftes machen die beiden auf Nachtfahrten spezialisierten Taxiunternehmer in der Berliner City. Dort wird es für Oldtimer nun eng: Sondergenehmigungen soll es nur sehr begrenzt geben, heißt es aus der Senatsumweltverwaltung.
"Berlin geht etwas verloren, wenn hier nur noch dieselben Einheitsautos fahren wir in jeder anderen europäischen Stadt", ist Stefan Freytag überzeugt. Er ist Geschäftsführer der Traditionsbus GmbH Berlin, die derzeit 15 ausrangierte Omnibusse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für Firmenjubiläen, Hochzeitsgesellschaften oder an Eventagenturen vermietet. Fast immer geht es in die Innenstadt. "Ohne diese Einnahmen sind Restaurierung und Erhalt der Oldtimer nicht möglich", sagt Frank von Rieman-Lipinski, Vorsitzender des Fördervereins der AG Traditionsbus, deren Mitglieder die Busse gekauft haben. Bis zu 100 000 Euro fließen schon mal in eine alte Karosse. Vorerst werde man abwarten, welche Regelungen im Detail beschlossen werden, will Stefan Freytag kein Öl ins Feuer gießen. "Es gibt Umweltprobleme, klar. Aber unsere Busse sind Sympathieträger und technisches Kulturgut. Sie spenden einfach Freude."
Aus der Berliner Morgenpost vom 8. Januar 2007